Wölfe und Lämmer (Neuauflage) by Mischke Susanne

Wölfe und Lämmer (Neuauflage) by Mischke Susanne

Autor:Mischke, Susanne [Mischke, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492983181
Herausgeber: Fahrenheitbooks
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


IV.

Ein hauchfeiner Nieselregen hatte eingesetzt und trübte den Schein der Lampe über der Haustür. Hannes wähnte sich für Sekunden in einem dieser alten, französichen Kriminalfilme, deren Außenszenen grundsätzlich im Dunkeln und bei Regen spielen. Barbara stand abseits. Barfuß und im Bademantel, hielt sie die Hände vor den Mund gepreßt und starrte mit schreckensweiten Augen auf die beiden Männer, die im milchigen Licht reglos auf dem nassen Pflaster lagen. Klara kniete neben Robin wie eine Pieta mit einem Rentierfell um die Schultern. Neben ihr stand Merlin, sein Fell glänzte im Licht. Vom Zwinger her tönte das Geheul des aufgeregten Rudels. Merlin legte den Kopf in den Nacken und antwortete seinen Artgenossen mit einem langgezogenen Klagelaut.

Hannes fand als erster die Sprache wieder.

»Klara, stell bitte das Geheul ab.«

»Und Robin?«

»Ich kümmere mich um ihn. Los, Barbara, steh da nicht rum wie ein Schaf, hilf mir.« Barbara löste sich aus ihrer Starre. Zu zweit schleiften sie Robin ins Haus. Klara eilte mit Merlin davon.

Barbara machte ein Küchenhandtuch naß und legte es Robin auf die Stirn. »Soll ich einen Arzt rufen?«

»Nein! Der wird schon wieder.« Hannes brachte seinen Freund in eine schräge Position, die der stabilen Seitenlage einigermaßen nahekam. Das Haar fiel Robin ins Gesicht und ein Spuckefaden lief aus seinem Mund.

»Und der Mann?« flüsterte Barbara.

»Der braucht keinen Arzt mehr.«

Sie gingen nach draußen. Der Wolfsgesang war verstummt. Der Mann lag noch immer mit seltsam verdrehtem Kopf auf dem Pflaster, grimmig beäugt von den beiden Gargoyles. Nasrin kniete neben ihm und durchsuchte seine Kleidung. Er trug ein dunkles Sweat-Shirt, eine schwarze Lederjacke, Jeans und abgewetzte Cowboystiefel mit Absätzen, die ihn im Stehen fünf Zentimeter größer gemacht hätten. Er war jung, vielleicht Anfang zwanzig, schlank und dunkelhaarig.

Nasrin stand auf und präsentierte ihre Funde: ein paar Münzen und zerdrückte Scheine, und ein Bund unterschiedlicher Schlüssel an einem Band. Keine Papiere, keine EC-Karte, nichts, worauf ein Name stand.

»Kennst du ihn?« fragte Hannes.

Sie schüttelte den Kopf.

»Hast du irgend jemandem gesagt, daß du hier bist, hast du telefoniert?«

»Nein.«

Barbara öffnete den Mund, als wolle sie etwas sagen, ließ es dann aber bleiben. Klara und Merlin kamen zurück. Klara hatte das Rentierfell gegen einen Pullover getauscht.

»Wo ist Robin?«

»Liegt drin«, sagte Hannes und hielt einen kleinen Schlüssel mit schwarzem Griff in die Höhe. »Das da könnte zu einem Fahrradschloß passen.«

»Ich schau mal, ob irgendwo ein Rad steht«, sagte Barbara, froh, dem Anblick des Toten zu entkommen.

»Nimm Merlin mit«, riet Klara.

»Muß das sein?«

»Wissen wir, ob der Kerl allein war?«

Barbara entfernte sich, Merlin folgte ihr zögernd, nachdem Klara ihn dazu aufgefordert hatte.

»Ich seh nach Robin«, sagte Nasrin.

Klara und Hannes warteten, bis sie gegangen war, dann sahen sie sich an, es war eine stumme Zwiesprache, an deren Ende nur eine Frage offenblieb: »Wohin?«

»In den Keller«, entschied Klara.

Hannes griff dem Mann unter die Achseln. Sein Kopf hing nach hinten, als gehörte er gar nicht zum Körper. Klara ergriff die Beine. Sie trugen ihn zum Haus hinüber. Die Tür stand noch offen, sie schleppten ihn ohne Unterbrechung die zwei Eingangsstufen hinauf, den Flur entlang und die Kellertreppe hinunter.

»Der ist schwerer als er aussieht«, keuchte Klara.



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